Nachhaltig, langlebig und vielfältig: Kleidung aus Hanf könnte schon bald die Modewelt verändern. In Denkendorf bei Stuttgart hat man ein Verfahren entwickelt, um umweltfreundlich Cellulosefasern aus verschiedensten Rohstoffen herzustellen – und nun auch aus Hanfresten.
Die Bevölkerung wächst seit Jahrzehnten – und mit ihr über die Maßen die Unmengen an Kleidungsstücken – Stichwort „Fast Fashion“. Das führt zu vielen Problemen, eines davon versucht Antje Ota zu lösen. „In den letzten Jahren ist das Interesse gewachsen, sich bei Rohstoffen vom Ausland unabhängiger zu machen“, erzählt die Chemikerin und hat in einem Forschungsprojekt eine interessante Alternative untersucht: Hanf.
Bis zur Industrialisierung wurde Hanf für verschiedenste Zwecke genutzt. Er lässt sich in Europa gut anbauen und hat einen hohen Anteil an Cellulose. In Zusammenarbeit mit dem französischen Start-up RBX Créations ist es nun gelungen, Cellulosefilamente aus Hanf zu Garnen weiterzuentwickeln. Grundlage ist dabei ein neuartiges Verfahren des Denkendorfer Instituts, das möglich macht, cellulosische Hochleistungsfilamente
herzustellen. Um die Cellulose zu Fasern zu verarbeiten, wird sie in ionischen Flüssigkeiten gelöst – umweltfreundlich und ohne Chemikalien. Textilien, die aus den HighPerCell-Filamenten hergestellt werden, haben viele Vorteile: Sie sind extrem langlebig, können aber trotzdem vollständig wiederverwertet werden.

Wachsender Markt:
6,9 Mio. Tonnen
Textilprodukte wurden 2020 in der EU konsumiert. Mehr als sechzig Prozent davon wurden importiert.
Das patentierte Verfahren der Denkendorfer kann bei verschiedensten Rohstoffen zum Einsatz kommen und bewährt sich auch bei Hanf. „Uns stört dessen Faserlänge nicht“, sagt Antje Ota, denn anders als in der Textilindustrie könne man sogar gut die kurzen und dicken Fasern aus der Mitte der Pflanze verwerten.
Als erstes Kleidungsstück hat man in Denkendorf Schlauchschals hergestellt. Trotzdem vermutet Antje Ota, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern könnte, bis Hanffilamente im großen Stil in der Mode zum Einsatz kommen. „Man braucht schon ein paar Kilogramm Fasern“, sagt sie, „und derzeit ist die Infrastruktur noch problematisch, zumal man die gängigen Industrieanlagen nicht nutzen kann.“

Shirts aus Shrimps
Chemie hat sie schon immer interessiert. Deshalb wollte Antje im Gymnasium auch Chemie als Leistungskurs belegen. Den gab es bei uns leider nicht“, erzählt sie, „die Schule war eher literarisch angehaucht.“ Abgehalten hat es die Berlinerin trotzdem nicht vom Chemie-Studium an der Humboldt-Universität. Nach der Promotion zog sie der Liebe wegen nach Stuttgart. Nach einer Zwischenstation an der dortigen Universität wechselte sie an das Forschungsinstitut.
Seit 2013 ist Antje Ota nun an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf tätig. Ein Thema, das die stellvertretende Leiterin des Kompetenzzentrums Biopolymerwerkstoffe viel beschäftigt,
ist Cellulose. Denn ob bei Kleidung, Verpackung, Hygieneartikeln oder schlichten Schreibblöcken – der Bedarf an Cellulose ist enorm. Deshalb untersucht Antje Ota, welche Rohstoffe noch zur Herstellung von Fasern – sogenannten Cellulosefilamenten – taugen. Dabei kommen auch allerhand kuriose Rohstoffe zum Einsatz und an dem Denkendorfer Institut wird sogar mit Shrimps-Schalen und Pilzen experimentiert.