Moritz Koch hat sich mit einem winzigen Bakterium beschäftigt, das er so optimiert hat, dass es für nachhaltige Verpackungen genutzt werden könnte.
Die Idee hat Charme: Wenn die Zahnpastatube leer ist, wirft man sie kurzerhand in den Garten – und nach ein paar Wochen ist nichts mehr von ihr zu sehen. So schaut die Vision von Moritz Koch aus, der sich für seine Doktorarbeit mit tüchtigen kleinen Kerlchen befasst hat: Cyanobakterien. Das sind winzige Organismen, die zwar Bakterien sind, aber wie Pflanzen Fotosynthese betreiben. „Sie fischen CO2 aus der Luft“, sagt Moritz Koch, könnten der Umwelt aber noch bessere Dienste leisten. Denn sie lagern das CO2 in ein Polymer ein, das ähnliche Materialeigenschaften wie Polypropylen besitzt. „Das ließe sich als Bioplastik nutzen.“
Dank eines Stipendiums der Studienstiftung des Deutschen Volkes konnte sich Moritz Koch vier Jahre lang mit Cyanobakterien beschäftigen. Dazu war er vor allem im Labor tätig „zwischen Reagenzgläschen mit einer grünen Suppe“, wie er erzählt. Zunächst musste er den Stoffwechsel der Cyanobakterien besser verstehen. Im zweiten Schritt versuchte er mit seinem Team, die Gene gezielt zu verändern, um die bisher recht geringe Produktion des Polymers zu steigern. „Das hat erstaunlich gut geklappt“, sagt Moritz Koch, „wir haben ein Cyanobakterium erschaffen, das CO2 aus der Luft filtern und zu 80 Prozent in Bioplastik verwandeln kann.“

UMFANGREICHE MESSUNGEN:
1.000.000stel Meter
ist ein Cyanobakterium klein, also einen Millimeter geteilt durch 1.000.
Ein Start-up in Hamburg will diese Erkenntnisse nun nutzen für nachhaltige Verpackungen. Allzu schnell darf man aber nicht damit rechnen, dass man die Zahnpastatube in den Garten werfen kann. Moritz Koch geht davon aus, dass es mindestens fünf bis zehn Jahre benötigen wird, damit der neue Biokunststoff „in relevanter Weise auf den Markt kommt“.
Für mehr Nachhaltigkeit: Moritz Koch
Sein Initialerlebnis hatte er in Indien. Als Moritz Koch dort ein Auslandssemester absolvierte, fiel ihm sein Thema förmlich vor die Füße. Der Plastikmüll stapelte sich an den Straßen. „Das Recycling-System war dort nicht ausreichend, um des Mülls Herr zu werden“, erzählt Moritz Koch. Deshalb kehrte er aus Indien mit dem Vorsatz zurück: „Ich möchte das Plastikthema mit nachhaltiger Biotechnologie angehen.“
Umweltthemen haben Moritz Koch schon früh interessiert. Aufgewachsen ist er in Olpe im Sauerland, für seinen Zivildienst ging er nach England zu einer Bildungseinrichtung, die Schülerinnen und Schüler für Umweltfragen sensibilisiert. An der Fachhochschule Jülich studierte er zunächst Biotechnologie, wechselte nach dem Bachelor aber an die Universität Tübingen, wo er nicht nur seinen Master in Mikrobiologie machte. „Tübingen ist eine Voll-Uni, sodass man dort auch viele andere spannende Dinge studieren konnte wie etwa Ethik“, sagt Moritz Koch, der in seinem Master auch das Zusatzfach Bioethik belegte. Das hat ihn darin bestärkt, dass er nicht Forschung um der Forschung willen machen will. „Mir ist wichtig, dass sie einen gesellschaftlichen Impact hat.“

Vancouver gilt als eine der nachhaltigsten Städte der Welt, deshalb wollte Moritz Koch sie genauer kennenlernen und ging nach seiner Promotion noch ein Jahr an die University of British Columbia. Wie in seiner Doktorarbeit erforschte er wieder Cyanobakterien, diesmal stand allerdings die Frage im Vordergrund, ob sich deren Wachstum beschleunigen lässt, damit man sie noch effizienter einsetzen kann zum Wohle der Umwelt.

Moritz Koch ist mit seinen 33 Jahren schon viel herumgekommen. Nach Vancouver wollte er eigentlich nicht fliegen, sondern mit einem Containerschiff reisen, was sich wegen Covid allerdings zerschlug. Dafür wohnt er jetzt in einer innovativen Passivhaussiedlung in Heidelberg – denn inzwischen hat er eine Stelle bei der BASF angetreten. Er wird erforschen, welche chemischen Prozesse sich durch biologische ersetzen lassen. „Wenn ein solch großes Unternehmen CO2-neutral wird“, sagt Moritz Koch, „dann hat das Potenzial, die ganze Industrie mitzureißen.“