Um die Diversität von Pflanzen und Tieren zu erhalten, muss man über Grundstücksgrenzen hinweg denken, meint Thomas Berger. Da die Probleme immer komplexer werden, versucht er, mit sogenannter verteilter künstlicher Intelligenz die vielfältigen Wechselwirkungen besser vorhersagen zu können.
Die Welt ist kompliziert. Wer ein Problem löst, schafft mitunter ein neues, da die Zusammenhänge komplex sind – oft zu komplex, um sie in Gänze zu durchdringen und die Weichen sinnvoll stellen zu können. So gibt es diverse Umweltprogramme, um die Artenvielfalt im Ackerbau zu fördern. Landwirte erhalten zum Beispiel Fördergelder, wenn sie einen Blühstreifen einrichten und Land brachliegen lassen. Allerdings lassen sich Insekten nicht von Ackergrenzen abhalten, sie fliegen auch in die benachbarten Felder. Biodiversität wird deshalb nur dann wirksam gefördert, wenn man größer denkt und auf der Landschaftsebene Lebensräume von Pflanzen und Tieren schafft. Genau das will Thomas Berger möglich machen. Er versucht, Wege zu finden, wie Menschen in einer immer komplexer werdenden Welt besser und effektiver über Grundstücksgrenzen hinweg zusammenarbeiten können. „Wir können die großen Probleme nicht mehr lösen, weil wir sie nicht verstehen“, sagt er, „deshalb brauchen wir außer kollektiver menschlicher Intelligenz auch künstliche Intelligenz.“

Der Agrarwissenschaftler arbeitet seit vielen Jahren mit Computersimulationsmodellen und Höchstleistungsrechnern. Seine Vision ist es, kollektive und künstliche Intelligenz so zusammenzubringen, dass sich Wechselwirkungen trotz komplexer Zusammenhänge besser voraussagen lassen. Die Fördermittel der Gips-Schüle-Stiftung nutzt Thomas Berger, um einen Antrag für einen Sonderforschungsbereich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft vorzubereiten. Am Beispiel der Biodiversität sollen die voneinander abhängenden Daten und Prozesse auf einer digitalen Plattform zusammengetragen und mit künstlicher Intelligenz ausgewertet werden. Dadurch könne man in Landwirtschaft, Ökologie und Politik auch die gemeinsame räumliche Koordination einbringen, meint Thomas Berger. „In unserem Denken und den politischen Vorgaben sind räumliche Wechselwirkungen aber noch völlig ausgeblendet.“ Die von ihm angestrebten digitalen Plattformen könnten künftig auch in anderen Bereichen wertvolle Hilfe leisten, etwa in der regionalen Kreislauf- und Abfallwirtschaft. Thomas Berger ist überzeugt: „Der Problemlöser der Zukunft ist, wenn kollektive und künstliche Intelligenz zusammenkommen.“
Gigantische Rechenleistung:
50.000.000 mal
höher ist heute die Rechenleistung bei den Simulationsexperimenten von Thomas Berger als noch in seiner Doktorarbeit.

Professioneller Simulant: Thomas Berger
Thomas Berger kommt zwar nicht vom Land, ist aber ausgebildeter Landwirt. Er hat in Göttingen Agrarwissenschaften studiert und nach der Promotion in Bonn am Zentrum für Entwicklungsforschung mit einer Nachwuchsforschergruppe gearbeitet. 2004 kam er nach Hohenheim zunächst als Gastprofessor, 2007 wurde er dann Professor für Ökonomik der Landnutzung.
Im Zentrum der Forschung von Thomas Berger stehen Computersimulationsmodelle, mit denen er sich schon in seiner Diplomarbeit befasste, um komplexe Sachverhalte transparenter zu machen. Ein Meilenstein in seiner Karriere war ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Internationalen Agrarforschungszentren CGIAR, bei dem ein komplexes Modellsystem entwickelt wurde, mit dem die Wassernutzung in Chile und Ghana verbessert werden kann. „Wir machen hier keine Elfenbeinturmwissenschaft“, sagt Thomas Berger, der mit seinen Mitarbeitern umfassende, aber über viele Quellen verteilte Daten zusammenfügt, damit anhand von Computersimulationen die Wechselwirkungen der verschiedenen landwirtschaftlichen Aktivitäten berechnet werden können – und sich die Auswirkungen auf die Umwelt besser vorhersagen lassen.