Pflanzen merken, was in der Welt um sie herum passiert, ob die Sonne scheint oder der Boden frisch gedüngt ist. Waltraud Schulze will herausfinden, wie diese Informationen in der Pflanze von Zelle zu Zelle weitergereicht werden.
Hat der Mensch Appetit, greift er zum Essen. Aber woher weiß eine Pflanze, was sie gerade benötigt? Weil ihre Zellen miteinander kommunizieren. Sie sind durch einen winzigen Strang verbunden. Waltraud Schulze ist den Geheimnissen dieses feinen Kanals auf der Spur, über den bisher wenig bekannt ist. Sie versucht mit einer Arbeitsgruppe, seine Bauteile und Mechanismen zu entschlüsseln. „Wir interessieren uns dafür, wie Pflanzen Signale verarbeiten und wie sie Veränderungen wahrnehmen, weil gedüngt oder es hell wird.“ Das Augenmerk ihrer Forschung liegt dabei auf den Signalen rund um den Nährstoffstatus und die Frage, wie die Pflanze kontrolliert, dass Wasser und Nährstoffe an die richtige Stelle transportiert werden.

Dank des Gips-Schüle-Forschungspreises wurde eine Methode entwickelt, um Plasmodesmata zu isolieren – so heißen die feinen Kanälchen offiziell. Das wiederum ermöglichte Waltraud Schulze, sehr viel mehr Geld an Land zu ziehen: „Durch die Vorarbeiten konnten wir beim Europäischen Forschungsrat punkten“, sagt sie, „das ist ein harter Wettbewerb.“ Das Verbundprojekt bekam den Zuschlag – und Waltraud Schulze sowie drei weitere Kollegen können sich zehn Millionen Euro teilen. Ziel ihrer aktuellen Forschung ist es nun, die Struktur der Proteine in den Kanälen zu bestimmen.
Waltraud Schulze arbeitet in Hohenheim unter anderem mit Moos und der Modellpflanze Arabidopsis, die in der Klimakammer gezogen werden. Würde man den Informationsfluss in der Pflanze besser verstehen, wäre das ein wichtiger Schritt in Zeiten des Klimawandels. Denn es würde ermöglichen, in die Prozesse einzugreifen und Sorten zu züchten, die ihre Samen oder die Wurzeln etwas besser versorgen, wodurch sie leichter mit Trockenheit oder Nährstoffmangel fertig werden könnten. Die Verteilung der Nährstoffe sei zwar immer eine Balance, sagt Waltraud Schulze, die aber könne man durchaus etwas ‚tunen‘.

Wettbewerb gewonnen:
10.000.000 Euro
haben Waltraud Schulze und drei weitere Kollegen vom Europäischen Forschungsrat für ein mehrjähriges Projekt erhalten. Möglich wurde dies durch die Anschubfinanzierung der Gips-Schüle-Stiftung.
Forschen statt radeln: Waltraud Schulze
Sie hat in Tübingen Biologie studiert und sich auf die Vorgänge in Pflanzenzellen spezialisiert. Nach der Promotion 2001 war Waltraud Schulze drei Jahre in einem dänischen Labor tätig – um danach mit dem Fahrrad durch Tibet zu reisen. Das Fahrrad war ihr Plan B. Denn für sie war immer klar, dass sie nur eine Stelle annehmen würde, auf der sie sich wirklich wohlfühlt. „Ich habe Radfahren auf einem semiprofessionellen Level betrieben“, erzählt sie. „Wenn es mit der Wissenschaft nicht geklappt hätte, wäre ich jetzt professioneller Abenteurer.“
Den Plan B benötigte Waltraud Schulze letztlich doch nicht. Sie ging ans Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam und baute dort eine eigene Arbeitsgruppe auf. „Wir haben Pflanzen unter Nährstoffmangel ,gefüttert‘ und geschaut, welche Proteine aktiviert werden“, erklärt sie. Aus diesen Daten hat sich dann über Jahre hinweg das jetzige Forschungsthema der Arbeitsgruppe entwickelt. 2012 wurde sie Professorin des neu gegründeten Lehrstuhls Systembiologie der Pflanzen in Hohenheim. Und ihre Abenteuerlust? „Ich gehe immer noch gerne Fahrradfahren oder Bergsteigen, die Semesterferien sind dafür ja ideal.“





Das Massenspektrometer ist ein wichtiges Arbeitsmittel im Labor, in dem aber auch allerhand Pflanzen wachsen und kultiviert werden – wie das Moos Physcomitrium patens oder die Modellpflanze
Arabidopsis.