Es ist ein langer Weg, bis ein Medikament, das am Computer entwickelt wurde, so hergestellt werden kann, dass es im Körper sein Ziel erreicht. Der Bioingenieur Philipp Vormittag hat die Prozesse optimiert, damit dieser lange Weg weniger hürdenreich ist.
Wer eine Tablette nimmt, geht selbstverständlich davon aus, dass sie dort wirkt, wo sie gebraucht wird. Aber wie gelingt es, dass Wirkstoffe im Körper ihr Ziel verlässlich erreichen? Eine Frage, mit der sich Philipp Vormittag in seiner Doktorarbeit befasst hat, in der es um virus-ähnliche Partikel ging. Diese im Labor hergestellten Partikel ähneln Viren, sind aber nicht wie diese mit einer Geninformation ausgestattet, sondern nur eine Art Hülle. Dem Immunsystem genügt diese Hülle, um alle Hebel in Bewegung zu setzen. Es wehrt den Fremdkörper ab – und ist damit gewappnet für weitere Kontakte. Man ist also geimpft, ohne dass man eine Infektion durchmachen musste. Mehr noch: „Man kann an der Hülle auch Teile von Krebszellen anbringen“, sagt Philipp Vormittag. Im Idealfall bekämpft das Immunsystem dann den Krebs.
Bloß: „Jede Idee ist so gut wie ihre Umsetzbarkeit“, sagt der Biotechnologe. „In der pharmazeutischen For-
schung wurden immer neue Produkte entdeckt, aber man wusste nicht, wie man sie im technischen Maßstab herstellen kann.“ Deshalb hat er die vielen Prozessschritte, die möglich sind auf dem Weg von der Konzeption eines Medikaments am Computer bis zur konkreten Produktion, auf den Prüfstand gestellt.
Philipp Vormittag nutzte Daten, die ihm Kooperationspartner wie Biontech zur Verfügung stellten. Die Arbeit selbst fand vor allem im Labor statt, wo er mit einem Team aus Studierenden und Doktoranden etwa die Herstellung von virus-ähnlichen Partikeln mittels Bakterien ins Visier nahm. „Dabei entstehen jede Menge andere Stoffe“, erklärt Philipp Vormittag. Da man diese nicht benötigt, haben sie untersucht, wie sich das Bakterium am besten von Verunreinigungen befreien lässt.

Große Ausbeute:
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Das sind elf Billiarden virus-ähnliche Partikel, die Philipp Vormittag während seiner Promotion je Prozessdurchlauf im Labormaßstab hergestellt hat.
Dem Wissenschaftler ging es dabei vor allem um den praktischen Nutzen seiner Arbeit, weshalb die Ergebnisse auch publiziert wurden und offen zugänglich sind. „Im Vergleich zu dem, was bisher existierte, sind die Prozesse jetzt viel effizienter“, sagt Philipp Vormittag, dem besonders wichtig war, dass sich seine Ergebnisse auf viele Anwendungsbereiche übertragen lassen. „Wenn man an etwas forscht, das nur für einen Spezialfall gilt, ist das zwar gut“, ist er überzeugt, „aber Wissenschaft bekommt einen wirklichen Mehrwert, wenn man die Dinge verknüpft und Möglichkeiten bietet, Brücken zu anderen Anwendungen zu schlagen.“

Prozesse optimieren: Philipp Vormittag
Er wollte alles. Philipp Vormittag hat sich für Biologie interessiert, aber auch für Chemie und Physik. Deshalb hat der gebürtige Heilbronner sich für Bioingenieurwesen entschieden, ein Studium, das verschiedene Naturwissenschaften verbindet. So musste er sich zunächst nicht entscheiden, in welche Richtung er gehen wird. Es wurde schließlich die Pharmazie. In seiner Bachelorarbeit befasste sich Philipp Vormittag zum ersten Mal mit virus-ähnlichen Partikeln, die ihn fortan begleiteten. Am University College London hat er ebenfalls an Herstellprozessen von modernen biopharmazeutischen Zelltherapieprodukten geforscht.
Für Philipp Vormittag war schon bald klar, dass er auch noch promovieren möchte. Er nennt es eine „glückliche Fügung“, dass sich am Karlsruher Institut für Technologie die Möglichkeit ergab, tatsächlich sein Herzensthema bearbeiten und sich in seiner Dissertation der Prozessentwicklung von virus-ähnlichen Partikeln widmen zu können. „Thema und Arbeitsgruppe haben sehr gut gepasst.“
Inzwischen ist Philipp Vormittag in der Industrie tätig und beim Pharmaunternehmen Lonza in Basel ange-
stellt. Dort hat er zwar nur noch wenig Kontakt mit virus-ähnlichen Partikeln, privat hat er aber noch auf besondere Weise mit dem Fachgebiet zu tun. Für seine Forschung musste er virus-ähnliche Partikel herstellen mithilfe biotechnologischer Fermentation. Die Fermentation führte ihn über Sauermilchkulturen zum Brot-
backen und schließlich zu seinem heutigen Hobby: dem Bierbrauen.