Viren hinterlassen Spuren im Körper. Im menschlichen Genom finden sich zahllose Reste von Viren, die einst krank machten – heute aber helfen, neue Viren abzuwehren. Smitha Srinivasachar Badarinarayan ist überzeugt, dass man diesen Mechanismus auch im Kampf gegen Krebs nutzen kann.
Auch Viren wechseln mitunter die Seiten. Manche von ihnen, die die Menschen einst krank machten, bekämpfen heute selbst Viren. Das menschliche Genom enthält mehrere 100.000 dieser einst infektiösen Viren. Ihr Name: endogene Retroviren. Etwa acht Prozent der menschlichen DNA besteht aus diesen endogenen Retroviren. Lange war ihr Nutzen nicht bekannt, man sah in ihnen nicht mehr als Schrott-DNA oder genetisch dunkle Materie. Zu Unrecht, sagt Smitha Srinivasachar Badarinarayan, denn sie sind tüchtige und nützliche Helfer bei der Immunabwehr: „Sie machen uns nicht mehr krank, aber können aktiviert werden, etwa durch Alter, Stress oder Virusinfektionen.“

Die Biologin interessiert, welche Mechanismen hinter dieser angeborenen Immunität stecken. Deshalb hat sie sich in ihrer Doktorarbeit die endogenen Retroviren im Genom vorgeknüpft, um herauszufinden, wie sie gezielt von außen stimuliert werden können – etwa durch Virusinfektionen. Smitha Srinivasachar Badarinarayan konnte schließlich nachweisen, dass bei diesem Prozess Eiweiße, die antiviral wirken, von sogenannten Promotern aktiviert werden. Die Forscherin stellte fest, dass auch in Zellen, die mit HIV infiziert sind, genau diese Promoter aktiv sind. Ihr Fazit: „Unser Immunsystem kidnappt diese fossilen Teile in unserer DNA.“ Der Körper greift also auf angeborene Immunantworten zurück, um einen Schutz gegen neue Viren zu finden – einerlei, ob es HIV, Corona oder Zika ist. Dieser Mechanismus könnte auf vielerlei Weise genutzt werden, meint Smitha Srinivasachar Badarinarayan. „Hierin liegt ein großes Potenzial für Therapien beispielsweise gegen Krebs“, sagt sie. Denn wenn man genau wisse, auf welche Weise diese endogenen Viren im Genom nützen oder den Menschen gefährden, „kann man entsprechende Mittel entwickeln“.

Viel Potenzial:
8 Prozent
des menschlichen Genoms bestehen aus Virus-DNA. Ein Teil dieser Virus-Fossilien könnte therapeutisch gezielt genutzt werden.
Smitha Srinivasachar Badarinarayan: Die positive Kraft der Viren

Schon als Smitha Srinivasachar Badarinarayan in ihrem Heimatland Indien zur Schule ging, interessierte sie, wie der Körper funktioniert. Deshalb lag nahe, dass sie eines Tages Medizin studieren würde. Die Vorstel-
lung, als Ärztin letztlich nur Medikamente verschreiben zu können, führte sie dann aber doch in eine andere Richtung. „Ich wollte selbst Heilmittel testen und entwickeln“, sagt die 29-Jährige. Deshalb studierte sie an der Universität von Mysore Biochemie und Mikrobiologie. Den Master wollte sie im Ausland machen, deshalb kam sie nach Ulm, wo sie auch promoviert hat. Um den endogenen retroviralen Promotern auf die Schliche zu kommen, musste die junge Forscherin erst einmal viele Stunden am Computer verbringen und sich durch die Forschungsdaten arbeiten. Erst danach experimentierte sie im Labor, um schließlich wieder am Rechner die Ergebnisse zu analysieren, wie sich Gene gezielt an- und ausschalten lassen – nicht nur durch andere Viren, sondern auch durch Medikamente.
Die endogenen Retroviren lassen Smitha Srinivasachar Badarinarayan weiterhin nicht los. Inzwischen forscht sie als Postdoktorandin am Institut für Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten an der Universität Tübingen. Sie hat mittlerweile vier dieser „fossilen viralen Erbstücke“ in der menschlichen DNA genauer untersucht. Ihre Forschungen gehen aber weit über Virusinfektionen hinaus. So hat sie erreicht, was sie als Kind bereits wollte: „Ich kann in die tiefen Strukturen des menschlichen Körpers abtauchen.“