Der inflationäre Einsatz von Antibiotika führt zunehmend zu Resistenzen. Durch eine neuartige Messmethode kann die Dosierung präzise auf die Patienten abgestimmt werden – und die Antibiotikakonzentration kontinuierlich überwacht werden.
Antibiotika sind aus der Medizin nicht mehr wegzudenken beim Kampf gegen bakterielle Infektionen. Der großflächige Einsatz – auch in der Landwirtschaft – hat allerdings dazu geführt, dass immer mehr Bakterien resistent gegen sie sind. Lebensbedrohliche Infektionen stellen plötzlich wieder ein globales Gesundheitsrisiko dar.
Hatice Ceren Ateş hat in ihrer Dissertation eine Technologie entwickelt, um Antibiotika präzise und passgenau dosieren zu können. Dazu wird die Konzentration der Antibiotika direkt über Schweiß, Speichel oder Atemluft ermittelt. Während sich die Medikamentengabe bisher am Bevölkerungsdurchschnitt orientiert, liefern Biosensoren schnell und verlässlich die nötigen Daten, die mit KI ausgewertet werden, um die Wirksamkeit der Antibiotika zu erhöhen und das Risiko von Resistenzen und toxischen Reaktionen zu senken.

Während herkömmliche Labortests Antikörper verwenden, um Medikamente im Blut nachzuweisen, kommt in den Sensoren von Hatice Ceren Ateş das natürliche Rezeptorprotein zum Einsatz, das Bakterien verwenden, um die sie bedrohenden Antibiotika zu erkennen und zu deaktivieren. „In gewisser Weise schlagen wir die Bakterien mit ihren eigenen Waffen, indem wir ihren Abwehrmechanismus in ein Werkzeug für eine intelligentere Behandlung verwandeln“, sagt die Forscherin. Das mache das System stabiler, kostengünstiger und einfacher in der praktischen Anwendung in klinischen Einrichtungen.
Hatice Ceren Ateş hat bereits einen Prototyp entwickelt, ein tragbares, leichtes Gerät, das für den Einsatz am Krankenbett geeignet ist. Durch die ständige Messung und Auswertung der Daten könnte der Gesundheitszustand der Patienten kontinuierlich und in Echtzeit überwacht werden.
Präzision:
176 pg ml–¹
ist das Empfindlichkeitsniveau der neuen Testmethode – und gängigen Tests weit überlegen, die sich im Bereich zwischen 0,1 bis 10 μg ml–¹ bewegen.
Die Forschung im Detail

Das Multiplex-Biosensorsystem, das Hatice Ceren Ateş in ihrer Dissertation entwickelt hat, verbindet synthetische Biologie und Mikrofluidik mit Künstlicher Intelligenz. Dies ermöglicht, die Antibiotika-Konzentration präziser messen zu können als beim konventionellen therapeutischen Drug-Monitoring.
Der zentrale Aspekt der Forschung bestand darin, einen Bioassay zu entwickeln, der frei von Antikörpern ist und mit dem sich β-Lactamen nachweisen lassen, die zu den am häufigsten verschriebenen Antibiotika-Klassen gehören. Die tragbaren Sensoren, in denen eine Mikropumpe für die Flüssigkeitshandhabung integriert ist, ermöglichen ein Antibiotika-Monitoring direkt vor Ort. Das System arbeitet mit einem NFC-betriebenen Potentiostat, um Daten drahtlos übertragen zu können.
Künstliche Intelligenz analysiert die Messungen
Hatice Ceren Ateş hat ihren neuen Biosensor zunächst in Tierstudien erprobt. In Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Freiburg gelang es, am Atemgas die Konzentration von den β-Lactamen zu überwachen, die zu einer häufig verschriebenen Antibiotika-Klasse gehören.
#Während der Tierstudien zeigte sich, dass die Patienten unterschiedlich auf Antibiotika reagierten. Deshalb hat Hatice Ceren Ateş Künstliche Intelligenz hinzugezogen, um die Daten zu analysieren und auch quantitativ abzubilden, wie die Dosierung von Antibiotika die Genesung beeinflusst. Dazu wurden vorhandene klinische Daten aus 13 Krankenhäusern in ganz Deutschland mithilfe von maschinellem Lernen analysiert.
Um die Überwachung direkt am Patientenbett möglich zu machen, hat Hatice Ceren Ateş ein leichtes Auslese-System entwickelt und arbeitet an einer weiteren Miniaturisierung, um kontinuierlich Proben nehmen und analysieren zu können. In einem nächsten Schritt sind gezielte klinische Studien zu der spezifischen Biosensor-Technologie nötig, um zu zeigen, wie eine individualisierte Echtzeitüber-wachung die Wirksamkeit von Behandlungen verbessern kann.

„Die enge Zusammenarbeit mit Kliniken hat mir geholfen,
nicht nur die Wissenschaft zu verstehen, sondern auch den täglichen Druck,
dem Ärzte ausgesetzt sind. Diese Rückkopplungsschleife – vom Labor
zum Krankenbett – prägt seither meine Forschungsphilosophie.“Hatice Ceren Ateş zu ihrer Forschung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis

aber äußerst präzise Test vereinfacht den Diagnoseprozess erheblich.


Forschung für Menschen
Auslands- und Praxiserfahrungen waren für Hatice Ceren Ateş „absolut unverzichtbar“, wie sie erzählt, denn sie hätten ihr gezeigt, „wie Forschung das Leben der Menschen wirklich verändern kann“. In einem Start-up-Unternehmen, das auf Krebsdiagnostik spezialisiert ist, hat sie nicht nur an der Entwicklung eines Tools zur Erkennung von Tumorzellen gearbeitet, sondern auch erfahren, dass Zeitpläne, Benutzerfreundlichkeit und Kosten genauso wichtig sind wie wissenschaftlicher Fortschritt.
Besonders prägend war für die junge Wissenschaftlerin aber ein Aufenthalt in Barcelona, wo Hatice Ceren Ateş am Katalanischen Institut für Nanowissenschaften und Nanotechnologie in einer Forschungsgruppe an der Entwicklung von Biosensoren beteiligt war und innovative Ideen zur Diagnostik kennenlernte.

„Die Auszeichnung wird mir helfen, Sichtbarkeit zu gewinnen und meine
Forschung weiter voranzutreiben.“Hatice Ceren Ateş über den Nachwuchspreis der Gips-Schüle-Stiftung
3 Fragen an Hatice ceren Ateş …

Wann werden Patientinnen und Patienten konkret von Ihren Ergebnissen profitieren können?
Wir haben unseren Biosensor erfolgreich in Tiermodellen getestet, der nächste große technische Meilenstein ist die Entwicklung eines tragbaren Geräts, das Patienten kontinuierlich in Echtzeit überwachen kann. Realistisch geschätzt wird das weniger als fünf Jahre dauern.
Welche Hürden muss man nehmen, bis innovative Forschung in der Praxis angewandt werden kann?
Die Herausforderung liegt darin, alle wichtigen Akteure zusammenzubringen, um große klinische Studien durchzuführen. Die Technologie macht gute Fortschritte, aber wir brauchen eine enge Zusammenarbeit mit Ärzten und klinischen Partnern, um ihre Vorteile in der realen Patientenversorgung zu validieren.
Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche Zukunft?
Ich sehe meine Zukunft an der spannenden Schnittstelle zwischen Wissenschaft, angewandter Technik und klinischer Praxis. Meine Vision ist es, die Datenerfassung, -analyse und -interpretation in einem nahtlosen System für eine proaktive Gesundheitsversorgung zu vereinen, das zugänglich und benutzerfreundlich ist.